Sarah Traubel erregte internationale Aufmerksamkeit, als sie am Opernhaus Zürich in einer Gala-Vorstellung von Mozarts „Entführung aus dem Serail“ kurzfristig für Eva Mei als Konstanze einsprang. Damit legte sie den Grundstein für ihre erfolgreiche Karriere als Sängerin. Sie ist die Großnichte der legendären Metropolitan Opera-Diva Helen Traubel und des Dirigenten Günter Wand und begann ihre Laufbahn im Alter von 17 Jahren im heimatlichen Mannheim. Anschließend absolvierte sie ihr Gesangsstudium an der Universität der Künste in Berlin, am Salzburger Mozarteum und an der Manhattan School of Music in New York.
Frau Traubel, Sie werden oft in einem Atemzug mit Ihrer Großtante Helen Traubel genannt. Was empfinden Sie dabei?
Sarah Traubel: Stolz! Helen Traubel war einer der größten Stars in der Geschichte der Metropolitan Opera und eine der wichtigsten Wagner-Sängerinnen ihrer Zeit. Und sie war eine ziemlich witzige Frau, sie hat in Hollywood-Filmen gespielt, in Nachtclubs Jazz gesungen, Krimis geschrieben. Ich denke oft an sie.
Was ist für Sie das Wichtigste am Singen?
Traubel: Es geht immer darum, die Zuhörer zu berühren. Ob in der Oper oder im Konzert, die menschliche Stimme ist das Instrument, mit dem am unmittelbarsten Emotion ausgedrückt und im Hörer erzeugt werden kann. Ich empfinde es als großes Geschenk, dass ich das auf der Bühne tun darf.
Sie singen bei Klassik an der Donau das Sopransolo in Mahlers Sinfonie Nr. 4 sowie die Konzertarie „Ch’io mi scordi di te?“ von Mozart. Was bedeuten Ihnen diese Werke?
Traubel: Mozart ist der zentrale Komponist in meinem Leben. Diese wunderschöne Konzertarie ist mir so nah, dass ich die Werkbezeichnung KV 505 sogar als Nummernschild an meinem Auto habe! Dass in Straubing der Jahrhundertpianist Sergei Babayan den scheinbar kleinen, aber hochemotionalen Klavierpart spielt, den Mozart ungewöhnlicherweise hier hineingeschrieben hat, macht mich unheimlich glücklich. Diese berühmte Arie hat Mozart für eine seiner Lieblingssängerinnen geschrieben, die er am Klavier selbst begleitet hat. In der ungewöhnlichen Einbindung des Klavierparts hat man eine Art Liebeserklärung des Komponisten an die Sängerin gesehen. Mich interessiert vor allem das musikalische Drama, das hier auf engstem Raum entfaltet wird. Das Lied vom himmlischen Leben, mit dem dann die Mahler-Sinfonie endet, ist der Gesang eines Engels, ein fast expressionistischer Text aus „Des Knaben Wunderhorn“. Wir dürfen einen Blick ins Paradies werfen, aber es geht auch geheimnisvoll und dunkel zu. Für mich ist es ein großes Glück, dieses wundervolle Stück zusammen mit Mozart singen zu können, der für Mahler gerade in seiner Vierten Sinfonie so große Bedeutung hatte.
Corona hat Kulturschaffende besonders hart getroffen. Gibt es irgendetwas Positives, dass Sie aus der Zeit des Lockdowns mitnehmen können?
Traubel: Ich habe viel Zeit mit meiner Familie verbringen können, bin einigen wenigen Freunden noch nähergekommen und mir auch noch bewusster geworden, wie privilegiert mein Leben in vielerlei Hinsicht ist. Wenn ich wieder Musik machen kann, dann auch als Dankeschön an die vielen tausend Menschen, die riesige Opfer gebracht haben, um uns durch diese schreckliche Zeit zu bringen. Aber die Folgen bleiben auch für uns Künstler hart und werden noch lange zu spüren sein.
Inzwischen nehmen die Veranstaltungen wieder Fahrt auf. Wie sieht Ihr Terminkalender für die zweite Jahreshälfte aus?
Traubel: Ich werde noch in der Berliner Philharmonie singen dürfen, dann einige Konzerte und Opernvorstellungen in Amerika. Auf dem Programm steht auch noch eine CD-Produktion und Konzerte mit den vier letzten Liedern von Richard Strauss.
Gibt es eine Bühne, die Sie besonders lieben?
Traubel: Immer die nächste, auf der ich auftreten darf! Aber es gibt natürlich Bühnen, mit denen ich wichtige Abschnitte meines Lebens verbinde: das wunderschöne Opernhaus Zürich vielleicht besonders, ebenso Stationen meiner Ausbildung in Salzburg und New York.
Können Sie jungen Sängerinnen noch guten Gewissens dazu raten, diesen Beruf zu ergreifen? Was würden Sie ihnen mit auf den Weg geben?
Traubel: Wer Kunst machen muss, einfach weil sie diesen Drang in einem auslöst, der findet einen Weg. Es stimmt, die Chancen werden in den nächsten Jahren nicht wachsen. Aber herausragende Begabungen werden ihren Weg auch in Zukunft finden.
Was hilft Ihnen persönlich dabei, kreativ zu bleiben?
Traubel: Ich finde es wichtig, neugierig zu bleiben, sich immer neu mit dem vertrauten Repertoire, aber auch neuen Stücken auseinanderzusetzen. Wenn man immer das Gleiche macht, wird aus Kunst am Ende Kitsch.